Raumrepräsentation in der GI
Wenn wir die reale Welt, im Folgenden auch als Echtwelt oder Realwelt bezeichnet, in Form einer Karte oder in einem Geoinformationssystem abbilden wollen, müssen wir abstrahieren. Das bedeutet, dass wir einzelne Aspekte der Realwelt in den Fokus unserer Abbildung stellen und soweit vereinfachen und generalisieren, dass sie mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden tatsächlich abgebildet werden können. Beispielsweise kann man in einer auf Papier gedruckten Karte (2D) kein mit den Händen greifbares Hochhaus (3D) abbilden, aber z. B. eine perspektivische Zeichnung eines Hochhauses einfügen. Das in irgendeiner Form gezeichnete Hochhaus stellt also eine Abbildung des realen Hochhauses dar. Es repräsentiert in unserer Abbildung das Hochhaus, weshalb man auch von Repräsentation bzw. Repräsentation der Echtwelt spricht.
Eine Abbildung von etwas, also auch eine Repräsentation von Teilen der Realwelt, wird generell als Modell bezeichnet. Wenn wir den Ausschnitt der Realwelt, der uns gerade interessiert als System bezeichnen, so können wir die Bestandteile dieses Systems als Systemkomponenten oder einfach als Komponenten bezeichnen. Ein Beispiel: Wenn Sie Ihre Geoinformatik-Kompetenz im Kontext der Stadtgeographie einsetzten, so könnte der Ausschnitt der realen Welt eine Stadt sein. Diese Stadt wäre in diesem Fall das betrachtete System und die einzelnen Häuser, Straßen, Menschen, Firmen, Restaurants etc., sowie die Beziehungen zwischen diesen, die Systemkomponenten. Natürlich müssen ggf. auch Beziehungen zu Nachbarstädten in Ihre Analyse mit einbezogen werden, aber diese Beziehungen könnte man auch als Randbedingungen in Ihre Systemvorstellung einbauen. Bezogen auf die Ihnen schon bekannte Kartographie, könnte dieses Konzept in einer Karte der Stadt enden, in der z. B. die Verkehrsströme zwischen den auf einem Stadtplan verorteten Firmen und den mittags besuchten Restaurants visualisiert sind. Für Personen die im Umland der Stadt (also außerhalb des Systems bzw. des Stadtplans) wohnen und extra anreisen, um die Restaurants zu besuchen, könnten Sie die Visualisierung dieser Verkehrsströme am Rand der Karte beginnen lassen (z. B. in Form von Pfeilen, die vom Kartenrand entlang von Eisenbahntrassen oder Einfallstraßen in die Stadt verlaufen).
Die Abstraktion der Realwelt ist also eine Form der Modellierung. Das mag für den einen oder anderen ungewohnt sein, da im studentischen Leben beim Begriff Modellierung vielleicht an statistische Modelle, Klimamodelle o.ä. gedacht wird, obwohl jeder von uns schon einmal mit Spielzeugautos oder Puppenwagen und damit mit Modellen (von realen Autos, von Kinderwagen) gespielt hat, aber nur die wenigstens bereits ein Klimamodell programmiert haben. Und um das nächste Missverständnis gar nicht erst entstehen zu lassen: Modelle müssen nicht greifbar sein. Ein Modell in unserem Kopf, dass uns den Weg zur Mensa zeigt, ist genauso wenig greifbar wie ein Datenmodell im Computer.
Das Ergebnis der Abstraktion, also der Modellierung von Teilen der realen Welt und deren Repräsentation in unserem Modell, ist wie im Abschnitt Geographische Abstraktion bereits diskutiert, von der jeweiligen Zielsetzung, den zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden und – ganz wichtig – von der kognitiven Wahrnehmung des Bearbeiters abhängig. Letzteres bedeutet, dass auch bei gleicher Zielsetzung und gleicher Methodenauswahl die Abstraktion der Realwelt und deren Repräsentation im Modell völlig verschieden sein kann.
Bei der Abstraktion von räumlichen Eigenschaften der Realwelt spielen Raumkonzepte eine wichtige Rolle. Wir lernen bereits als Kinder durch Erfahrung, Raum zu abstrahieren. So etwa den Begriff des Enthaltenseins oder den Begriff der Nähe. Entsprechende Beispielaussagen wären: „Fische sind im Aquarium“ und „Die Großeltern, die in der gleichen Straße wohnen, sind näher (räumlich und zeitlich!) als Oma und Opa, die in der (400 km entfernten) Stadt leben“. Bei der Verwendung Geographischer Informationssysteme erfinden wir diese Kategorisierungen nicht neu. In der computerbasierten, also digitalen Repräsentation der Realwelt, werden diese Alltagskonzepte in sogenannten Datenmodellen abgebildet. Datenmodelle bieten spezifische formale Strukturen und Regeln zur Abbildung von Komponenten der Echtwelt und ihren Beziehungen durch Daten. Fasst man diesen Zusammenhang abstrakt auf, so spricht man auch von Ontologien zur Ableitung von Wissen über die Echtwelt. Eine Ontologie zur Strukturierung von räumlichem Wissen ist uns bereits in Form von Karten aus Geographische Abstraktion bekannt.
Lernziele
Nach dieser Sitzung sollten Sie:
- die Bedeutung der Repräsentation von Echtwelt durch Daten verstehen
- die Konzepte von kontinuierlichem Raum und diskreten Objekten im Raum unterscheiden können
- das Konzept der Geoobjekte und Geodaten als Informationsgrundlage für die Repräsentation der Echtwelt kennen