Die Motivation, GI-S in der Geographie einzusetzen, ist vielfältig. Zunächst kann es jedoch als grundlegendes Selbstverständnis einer quantitativ denkenden Wissenschaftsdisziplin angesehen werden, eine transparente, d.h. belegbare und nachvollziehbare Basis für raumbezogene Informationen zu schaffen. Da nicht nur aus konzeptionellen, sondern auch aus praktischen Gründen Daten (und damit Wissen) immer unvollständig sind, ist die Verbesserung dieser lückenhaften Daten ein wichtiger und oft grundlegender Schritt in Richtung Wissen und Information.
Wir haben bisher thematische (oder semantische), räumliche und zeitliche Beziehungen (und Abfragen) kennen gelernt. Räumliche Relationen können unterteilt werden in: topologische Relationen und Entfernungsrelationen. Bei Abfragen in Relationen haben uns nicht nur die Eigenschaften der untersuchten Objekte interessiert, sondern vor allem die verschiedenen Möglichkeiten, diese Parameter miteinander zu verknüpfen. Neben den Lagebeziehungen stellen vor allem die Distanzbeziehungen quantitative Methoden zur Verfügung, um räumlich ähnliche Merkmalsausprägungen abzugrenzen oder auch fehlende räumliche Informationen durch Interpolation zu ergänzen.
Räumliche Abfrage - räumliche Analyse?
Bei der Verwendung von GI-Systemen unterscheiden sich räumliche Analysen und Abfragen nur durch den Grad der Komplexität und deren Auswirkung auf die Datenbasis. Von räumlichen Analysen spricht man, wenn funktionale Zusammenhänge in gekoppelte bzw. verschachtelte Abfragen eingebaut werden und die Ergebnisse physisch als eigener Datensatz in die Datenbank eingespeist werden. Die verschiedenen Methoden der räumlichen Analyse sind nicht erst mit der Entwicklung von GI-Systemen entstanden. Viele Verfahren wurden bereits frühzeitig und oft völlig unabhängig von GI-Systemen entwickelt und erst später in die GIS-Software integriert. Aber erst durch die zunehmende Verbreitung und nutzerorientierte Weiterentwicklung von GIS-Software ist das Methodenspektrum der räumlichen Analyse effizient und effektiv nutzbar geworden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil heutige GI-Systeme auch die weiteren notwendigen Dienste wie Datenerfassung, Datenverwaltung oder Visualisierung anbieten.
Räumliche Analysen in der Geographie
Die Wurzeln der räumlichen Analyse reichen weit zurück. Der Reader von Berry und Marble (1968) enthält eine Auswahl früher Artikel, die sich mit Anwendungen der räumlichen Statistik und der quantitativen räumlichen Analyse beschäftigen. Die Ansätze reichen teilweise bis in die 1930er Jahre zurück, konzentrieren sich aber vor allem auf eine erste fruchtbare Periode in den 1950er und 1960er Jahren. Die Bereitschaft, statistische und andere quantitative Methoden zur Analyse räumlicher Muster und Prozesse einzusetzen, war vor allem in den Raumwissenschaften ausgeprägt, die die Beschreibung und Erklärung räumlicher Muster und Prozesse als zentralen wissenschaftlichen Gegenstand haben wie etwa der Landschaftsökologie (vgl. z.B. Turner, Gardner, und O’Neill 2003).
In der deutschsprachigen Geographie ist die quantitative Analyse räumlicher Phänomene eng mit dem durch studentische Initiativen forcierten Paradigmenwechsel des “Kieler Geographentages” 1969 verbunden (Monheim und Schwarte 1999). Die zentralen Publikationen von Bartels (1968) und Gerhard Hard (1970) stehen stellvertretend für diese entscheidende und bis heute wirksame Zäsur in der Geographie. Während in der allgemeinen Lehre bis heute von Landschaften gesprochen wird, ist seit den 1980er Jahren im Zuge der Durchsetzung von GI-Science als integrativer Arbeitsplattform eine zunehmende Konvergenz der verwendeten raumanalytischen Methoden in den an der Entwicklung der GIS-Technologie beteiligten Wissenschaften zu beobachten. Dies lässt sich z.B. an dem allgemein als Grundlage anerkannten Lehrbuch von Bill (2008) nachvollziehen.
Lernziele
- Sie verstehen das Prinzip der Ableitung räumlicher Informationen durch mathematische oder thematische Transformation von Primärdaten.
- Sie kennen die unterschiedlichen Abstandsbeziehungen zwischen den verschiedenen geometrischen Primitiven (Punkte, Linien, Polygone).
- Sie verstehen das Prinzip der Pufferung und der Distanztransformation.
- Sie erhalten einen Überblick über die wichtigsten Möglichkeiten der räumlichen Analyse.
- Sie erwerben die Fähigkeit, räumliche Ableitungen aus Primärdaten zu erstellen und geographisch zu interpretieren.
- Sie lernen, wie räumlich wirksame Prozesskonzepte in Ihre Analysen integriert werden können.